6 gezeichnete bunte Köpfe nebeneinander, sie sind die 6 Helden im Video zum Rare Disease Day
Gezeichneter Kopf einer jungen Frau und sie sagt: Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.
ACHSE ruft auf: Machen Sie Mut am Rare Disease Day 2021
Auf die Plätze, fertig, leben!
Mein Name ist Christine, ich bin 37 Jahre alt, verheiratet und Mutter einer zwölfjährigen Tochter. Gemeinsam wohnen wir in Brandenburg, im wohl dünnbesiedelsten Landkreis Deutschlands.
 
Meine Kindheit und Jugend waren geprägt vom Kranksein. Eine Entzündung jagte die nächste. Ständig war die Nase verstopft, sie musste mehrmals jährlich operativ gespült und gefenstert werden, ich hörte schlecht und erhielt mehrmals Paukenröhrchen.
 
Zudem hatte ich chronischen, feuchten Husten und einige Lungenentzündungen. Eigentlich war ich gefühlt ständig krank und dauerverschleimt.Sämtliche Operationen, Reha-Maßnahmen und Medikamente brachten keine Besserung. Die Ärzte waren ratlos.
Dank TV-Sendung zur Diagnose

Jahrzehntelang irrte ich durch Praxen und Krankenhäuser - eine richtige Odyssee. Bis ich eines Abends im Februar 2016 eine Folge der Auswanderer-Sendung „Goodbye Deutschland" sah. Dort ging es um eine Familie die nach Spanien ausgewandert ist. Hauptgrund für die Auswanderung war die Erkrankung eines Sohnes der Familie. Er leidet an Primärer Ciliärer Dyskinesie (PCD), einer seltenen Atemwegs-/Lungenerkrankung. Ich wurde stutzig, alles kam mir so bekannt vor und ich begann im Internet darüber zu lesen. "Das bin ich", dachte ich und erkannte mich in all den beschriebenen Symptomen wieder.
Ich ließ nichts unversucht und landete ein Vierteljahr später bei der Christiane-Herzog-Ambulanz in Hannover. Und tatsächlich diagnostizierten die Ärzte bei mir PCD* (*Bedeutung PCD-siehe unten), genau wie bei dem Sohn der Auswanderer-Familie.

Das war der Moment, an dem sich alles für mich verändert hat. Mit 33 Jahren hatte ich endlich eine Diagnose. Und erhielt eine adäquate Therapie. Mit vielen Inhalationen, Sekretlösern, Antibiotika und Atemtherapien kann ich einen weitgehend normalen und beschwerdefreien Alltag bestreiten.

Nächstes Ziel: Halbmarathon

Meine Ärzte gaben mir zusätzlich den Tipp regelmäßig Sport zu treiben. Das würde mir helfen, das Sekret in der Lunge zu mobilisieren und besser abzuhusten. Also begann ich zu joggen und konnte mir so die Lungenfunktion eines gesunden Menschen zurückerarbeiten. Ich liebe es zu laufen, mehrmals in der Woche, bei Wind und Wetter, immer zwischen 6 und 10 km. Das hat definitiv nicht nur meine Lunge gestärkt...
Bis zum Beginn der Pandemie nahm ich, zusammen mit meinem Mann, regelmäßig an Wettkämpfen teil. Wir liefen für das PARI*-Team (*Inhalationsgerätehersteller) und "spendeten Luft zum Atmen".

Diese Zeit fehlt mir gerade sehr, denn jeder Wettkampf war Kribbeln, Aufregung, Freude und Spannung. Inmitten der vielen unterschiedlichen Läufer ist und fühlt man sich wie Teil einer kleinen Familie. Ich nutze weiterhin meine heimischen Läufe um fit und gesund zu bleiben, um dann im Sommer wieder an einer Startlinie stehen zu können. Mein Ziel ist es, irgendwann einen Halbmarathon zu laufen. Irgendwann. Das ist verrückt. Ja die Läufer, ich weiß, man sagt, sie sind alle verrückt. :)

Ich kann dafür sorgen, dass es mir gut geht

Seit Corona ist es mir besonders wichtig nichts schleifen zu lassen und weiterhin aktiv zu sein. Ich kann die Situation nicht ändern, aber dafür sorgen, dass es mir gut geht. Dazu gehört meine tägliche und konsequente Therapie, meine Familie und Musik aber auch die aktive Selbsthilfe. Seit Beginn der Diagnose versuche ich außerdem, die Erkrankung PCD etwas ins Bewusstsein der Menschen zu rücken. Dafür nutze ich u.a. regelmäßig meinen Social Media Acoount „Tempo.tine". Ich berichte von meiner Therapie, dem Laufen, meinem Alltag und der Erkrankung. Der Austausch ist einfach - gerade jetzt - so wichtig.

Mut steht am Anfang des Handelns. Glück am Ende.

Generell ist meine größte Motivation, Menschen mit Einschränkungen und/oder PCD Mut zu machen. Nicht aufzugeben. Für sich und seine Gesundheit einzustehen. Ein gutes Sprichwort besagt: „Mut steht am Anfang des Handelns. Glück am Ende." Und wer weiß, vielleicht liest irgendwo, irgendjemand meine Beiträge und erkennt sich selbst auch wieder - so wie ich mich damals, bei dem Jungen von „Goodbye Deutschland". Na, das wäre doch was?!

Meine Diagnose war definitiv ein großer Wendepunkt in meinem Leben. Es war gefühlt mein 6er im Lotto und hat mir viel Kraft gegeben, nun selbst aktiv zu sein, selbst zu handeln und mit der Therapie endlich „gut" leben zu können." Ich arrangiere mich mit meinen Behandlungen, ist es doch so viel schöner, nicht einfach mehr sinnlos operiert zu werden oder krank zu sein. Einige meiner Therapien nutze ich als eine Art Auszeit. Mehrere Minuten in denen ich nichts anderes machen kann. Einfach machen. Besinnen und atmen. Ich habe über die Jahre gelernt die guten Zeiten zu schätzen. Eine gute Zeit bedeutet für mich, einfach schon unbeschwert atmen zu können.

Wenn aus Austausch Freundschaft wird
Übrigens, ich hatte direkt nach der Ausstrahlung Kontakt zur Familie gesucht und wir konnten uns austauschen. Meine Familie und ich haben Anfang 2020 ein Ticket nach Spanien gebucht. Wäre uns Corona nicht dazwischengekommen, wären mein Mann, meine Tochter und ich im Oktober zur Auswanderer Familie nach Spanien geflogen. Nun ist das Treffen auf Oktober 2021 verschoben. Die Freude ist groß. Berichtet der Junge doch gern, er hätte mein Leben gerettet.

Primäre Ciliäre Dyskinesie (PCD) ist eine angeborene seltene Erkrankung, bei der die Flimmerhärchen (Zilien) auf allen Schleimhäuten im Körper eine Fehlbeweglichkeit aufweisen. Durch diese Fehlbeweglichkeit ist die Selbstreinigung aller Schleimhäute, insbesondere der Lunge und Nasennebenhöhlen eingeschränkt oder gar nicht möglich. Der Schleim bleibt in den betroffenen Organen liegen. Etwa bei der Hälfte der Betroffenen sind zudem die inneren Organe seitenverkehrt angeordnet (Situs inversus) . Dies bezeichnet man dann als Kartagener Syndrom. 

Weitere Informationen finden Sie hier:

www.kartagener-syndrom.org/

 

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